Berthold von Stauffenberg hat einen mutigen Mann zum Vater: Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Der wollte den grausamen Diktator Adolf Hitler umbringen. Hier erzählt Berthold, wann er von dem Plan des Vaters erfuhr und warum sich danach alles für ihn änderte. Als ich geboren wurde, war in Deutschland gerade Adolf Hitler an der Macht. Viele Deutsche hatten ihn und seine Partei, die der Nationalsozialisten, gewählt. Sie erhofften sich Arbeit und Wohlstand. Doch Hitler schuf einen Unrechtsstaat. Die Nazis brachten Millionen Menschen um. Kurz nachdem ich in die Schule kam, begann Deutschland im September 1939 den Zweiten Weltkrieg. Und vor genau 67 Jahren, am 20. Juli 1944, versuchte mein Vater, Adolf Hitler zu töten. Als der Krieg anfing, musste sich jeder von uns eine Gasmaske aus Gummi abholen. Die sollte uns schützen, falls Giftgas als Waffe eingesetzt würde. Ich bekam eine Maske für Kinder, die ich ganz über den Kopf ziehen musste. Zum Glück habe ich sie nie gebraucht. Damals war es völlig normal, dass die Väter in den Krieg zogen. Mein Vater war zuerst in Polen und Frankreich und wurde danach im Oberkommando eingesetzt. Er war selten zu Hause. Aber wenn, dann war das für mich und meine drei Geschwister wie ein Fest. Wir waren besonders brav und spielten oft in seiner Nähe. Er war nie genervt von uns. In meiner Erinnerung sehe ich ihn immer nur lachen. Als mein Vater in Tunesien kämpfte, wurde er schwer verletzt. Er verlor ein Auge, die rechte Hand und zwei Finger der linken Hand. Mein erster Gedanke war: Gott sei Dank ist er nicht gestorben. Denn das waren mittlerweile viele Väter im Krieg. Das letzte Mal, als ich meinen Vater sah, war kurz vor meinem zehnten Geburtstag. Er arbeitete nun in Berlin und musste regelmäßig Hitler über seine Arbeit berichten. In meiner Familie wurde gar nicht über Politik gesprochen. Deshalb war ich von dem, was am 20. Juli 1944 passiert ist, völlig überrascht. Ich hatte Ferien und war gerade mit meiner Familie bei meiner Großmutter in Lautlingen, einem Dorf auf der Schwäbischen Alb. Mein Vater war in Berlin, zumindest dachte ich das. An dem Tag hörte ich im Radio, dass es einen Anschlag auf Adolf Hitler gegeben hatte. Ab dem Moment versuchte meine Familie, mich vom Radio fernzuhalten. Mein jüngerer Bruder und ich wurden auf einen Spaziergang geschickt. Als wir zurückkamen, nahm uns meine Mutter beiseite und sagte: "Die Bombe gegen Hitler hat der Papi gelegt. Er glaubte, er müsse das für Deutschland tun."
Wie mein Vater eine Bombe in Hitlers Hauptquartier schmuggelte
Ich verstand das alles nicht sofort. Aber ich las die Zeitungen und hörte Radio. Nach und nach wurde mir klar, was geschehen war. Die Nazis hatten meinen Vater erschossen. Denn er hatte einen Anschlag auf Hitler verübt. Aber Hitler hatte überlebt.Warum hatte mein Vater das getan? Das fragte ich mich immer wieder, auch nachts, wenn ich nicht schlafen konnte. Ich war mir sicher, dass mein Vater einen guten Grund gehabt haben musste. Was genau geschehen war, erfuhr ich erst nach dem Krieg: Mein Vater war Mitglied einer Gruppe von etwa 200 Widerstandskämpfern. Sie wollten eine Regierung, die auf Demokratie und Freiheit Wert legt. Hitler hätte das nie zugelassen. Deshalb sollte er sterben. Mein Vater schmuggelte eine Bombe in einer Aktentasche in Hitlers Hauptquartier. Die stellte er unter dem Tisch ab, an dem Hitler stand. Dann verließ mein Vater das Gebäude. Er hörte noch einen Knall und sah Rauch aufsteigen. Danach flog er nach Berlin. Die Widerstandskämpfer versuchten dort, die Regierung zu stürzen. Doch Hitler entging dem Attentat fast ohne Kratzer. Ein Pfeiler des Tisches, unter dem die Bombe stand, rettete ihn. Nur wenige Stunden später erschossen die Nazis die ersten Widerstandskämpfer, darunter auch meinen Vater.
Ich war immer sehr stolz auf meinen Vater
Was mein Vater getan hatte, galt als Hochverrat. Die Nazis bestraften das mit Sippenhaft: Meine gesamte Familie wurde festgenommen. Zwei Tage nach dem Attentat verhafteten Polizisten meine Mutter in der Nacht. Auch die meisten anderen Verwandten kamen ins Gefängnis. Wir Kinder waren drei Wochen lang mit dem Kindermädchen und der Haushälterin allein. Dann holte uns ein Polizist ab. Niemand sagte uns, wo es hingehen sollte. Mit dem Zug fuhren wir in ein Kinderheim im Harz. Dort bekamen wir einen neuen Nachnamen: Wir hießen jetzt Meister. Die Kindergärtnerinnen im Heim behandelten uns gut. Wir hatten aber keine Schule und wussten nicht, was draußen in der Welt passierte. Und ich fragte mich, was mit unseren Verwandten geschehen war. Wird schon alles gutgehen, dachte ich mir. Nach etwa acht Monaten im Heim war der Krieg vorbei. Deutschland hatte verloren. Adolf Hitler hatte sich selbst umgebracht. Zwei Monate später fand uns eine Großtante und brachte uns nach Lautlingen. Dort empfing uns die Großmutter. Auch meine Mutter kam bald wieder - mit einem Baby. Sie hatte in der Haft meine jüngste Schwester bekommen. Später bin ich selbst Offizier geworden, wie mein Vater. Ich war immer sehr stolz auf ihn.
SPIEGEL Panorama
Δεν υπάρχουν σχόλια:
Δημοσίευση σχολίου